- Illegale Viehzucht zerstört Gebiete kleiner Landbesitzer*innen und Indigener Völker im Amazonasgebiet, wo der diesjährige COP30-Klimagipfel stattfinden wird.
- Der weltweit größte Fleischkonzern JBS verfügt trotz entsprechender Zusagen bislang über kein System zur Nachverfolgung seiner gesamten Lieferketten und bezieht möglicherweise illegal gezüchtete Rinder aus den betroffenen Gebieten.
- Die brasilianische Regierung muss die illegalen Viehzuchtbetriebe aus dieser Region entfernen. JBS sollte seine Zusagen einhalten und Missstände beseitigen, zu denen der Konzern, möglicherweise unbeabsichtigt, beiträgt.
(São Paulo) – Illegale Viehzucht zerstört die Gebiete von Kleinbäuer*innen und indigenen Völkern in Pará, dem Bundesstaat Brasiliens, in dem dieses Jahr der Klimagipfel COP30 stattfinden wird, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. JBS, der weltweit größte Fleischkonzern, hat möglicherweise Rindfleisch und Leder in die Europäische Union exportiert, die von Rindern von illegalen Farmen in dieser Region stammen.
Der 86-seitige Bericht „Tainted: JBS and the EU’s Exposure to Human Rights Violations and Illegal Deforestation in Pará, Brazil” beschreibt detailliert, wie Viehzüchter illegal Land besetzt und die Lebensgrundlage der rechtmäßigen Bewohner*innen der Kleinbauernsiedlung Terra Nossa und des indigenen Gebiets Cachoeira Seca zerstört haben, wodurch die Rechte der Betroffenen auf Wohnen, Land und Kultur verletzt wurden. Eine Analyse offizieller Quellen durch Human Rights Watch zeigt, dass illegale Farmen in diesen Gebieten Rinder an mehrere direkte Lieferanten von JBS verkauft haben.
„JBS verfügt noch immer nicht über ein System zur Nachverfolgung seiner indirekten Rinderlieferanten, obwohl das Unternehmen bereits 2011 versprochen hatte, ein solches System einzuführen“, sagte Luciana Téllez Chávez, Senior-Umweltforscherin bei Human Rights Watch. „Ohne ein solches System kann das Unternehmen seine Verpflichtung, illegale Abholzung aus seinen Lieferketten bis Ende 2025 zu verbannen, nicht erfüllen.“
Mittels der Analyse der vom Bundesstaat Pará ausgestellten Genehmigungen für den Transport von Rindern hat Human Rights Watch fünf Fälle identifiziert, in denen illegale Farmen in Terra Nossa und Cachoeira Seca Rinder an Farmen außerhalb dieser Schutzgebiete geliefert haben, welche diese anschließend an Schlachthöfe von JBS verkauften. Die in diesen Gebieten untersuchten Rinderfarmen sind nach brasilianischem Bundesrecht illegal.
Die brasilianische Landreformbehörde schuf 2006 die ländliche Siedlung Terra Nossa für Kleinbauern. Die Familien sollten das Land bewirtschaften, Früchte und Nüsse aus dem Regenwald ernten – der ursprünglich 80 Prozent der 150.000 Hektar großen Siedlung ausmachte – und ihre Produkte auf lokalen Märkten verkaufen.
Viehzüchter haben jedoch illegal Land in Terra Nossa besetzt. Hierbei sind sie gewaltsam gegen Menschen vorgegangen, die sich ihnen widersetzten. Bis 2023 waren bereits 45,3 Prozent der Siedlung in Weideland umgewandelt worden.
Ab 2016 untersuchte die Landreformbehörde die Siedlung und stellte schließlich fest, dass 78,5 Prozent illegal besetzt waren. Dennoch unternahm sie jahrelang nichts, um die illegalen Farmen aufzulösen. Die Behörde erwägt nun einen Plan, um die Siedlung aufzuteilen und ihren Status zu ändern, was höchstwahrscheinlich zu einer dauerhaften Straffreiheit für Umweltverbrecher führen würde.
In Cachoeira Seca sind die Arara-Indigenen auf den Regenwald in ihrem 733.000 Hektar großen Gebiet angewiesen. Die brasilianische Bundesregierung ist gesetzlich verpflichtet, nicht-Indigene Bewohner*innen zu entfernen. Stattdessen wurden weitere illegale Viehzuchtbetriebe gegründet, wodurch die Verfügbarkeit von Wild und Waldprodukten verringert, die Bewegungsfreiheit der indigenen Bevölkerung in ihrem eigenen Gebiet eingeschränkt und ihre kulturellen Rechte untergraben wurden. Cachoeira Seca verzeichnete 2024 die größte abgeholzte Fläche in einem indigenen Gebiet im gesamten brasilianischen Amazonasgebiet.
JBS verfolgt seine indirekten Lieferanten nicht systematisch und kann nicht garantieren, dass kein illegal produziertes Rindfleisch in seine Lieferkette gelangt, so Human Rights Watch. Es gibt keine staatliche Verpflichtung, die Herkunft einzelner Rinder zurückzuverfolgen, da sie verschiedene Farmen in Brasilien durchlaufen.
In einem Schriftwechsel mit Human Rights Watch erklärte JBS, dass es die Farmen seiner direkten Lieferanten überwacht, um sicherzustellen, dass diese die Beschaffungsrichtlinien des Konzerns einhalten. Das Unternehmen erklärte außerdem, dass es ab dem 1. Januar 2026 seine direkten Lieferanten dazu verpflichtet, Informationen über ihre Unterlieferanten bereitzustellen.
Die Regierung von Pará kündigte an, bis 2026 ein System zur Rückverfolgbarkeit einzelner Rinder einzuführen, und die Behörden teilten Human Rights Watch mit, dass sie generell keine Genehmigungen mehr für den Transport von Rindern in geschützte Wälder ausstellen werden. Die brasilianische Bundesregierung wiederum kündigte einen Plan zur Einführung eines nationalen Systems zur Rückverfolgbarkeit einzelner Rinder bis 2032 an. Da der illegale Rinderhandel sich über die Grenzen einzelner Bundesstaaten erstreckt, dürfte eine langsame Umsetzung des nationalen Systems mögliche Fortschritte erheblich ausbremsen, so Human Rights Watch.
Die EU-Länder sollten ab Januar 2026 die Verordnung für entwaldungsfreie Produkte umsetzen. Diese Verordnung würde den Verkauf von Rinderprodukten auf dem EU-Markt verbieten, wenn diese aus Gebieten stammen, die nach 2020 abgeholzt wurden, oder wenn die Produktion gegen die nationalen Gesetze des jeweiligen Herkunftslandes verstößt. EU-Abgeordnete diskutieren darüber, die Durchsetzung um ein Jahr zu verschieben. Eine Verzögerung würde es ermöglichen, dass belastete Produkte weiterhin in den Binnenmarkt gelangen, und das Engagement der EU zur Bekämpfung ihres globalen Fußabdrucks in Bezug auf Entwaldung infrage stellen, sagte Human Rights Watch.
Human Rights Watch analysierte Handelsdaten zwischen 2020 und 2025 und stellte fest, dass Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Irland, die Niederlande, Spanien und Schweden Rindfleisch aus den Gemeinden importierten, in denen sich die in diesem Bericht genannten JBS-Betriebe befinden, während Italien ein wichtiger Abnehmer für Lederprodukte war.
Die brasilianische Regierung sollte illegale Farmen schließen und Schadensersatz von denjenigen fordern, die für die rechtswidrige Besetzung und Nutzung von Land in den betroffenen Gemeinden verantwortlich sind. Sie sollte zudem die Einführung und wirksame Durchsetzung eines Systems zur Rückverfolgbarkeit einzelner Rinder beschleunigen.
JBS wiederum sollte Maßnahmen ergreifen, um jeglichen Landbetrug, illegale Abholzung oder Menschenrechtsverletzungen, zu denen das Unternehmen – wenn auch unbeabsichtigt – in Terra Nossa und Cachoeira Seca beigetragen haben könnte, zu beenden.
„Der Kampf gegen Abholzung und Menschenrechtsverletzungen, die in den Lieferketten für Rindfleisch begründet sind, ist eine gemeinsame Verantwortung von Verkäufern und Abnehmern“, sagte Téllez Chávez. „Brasilien und die EU sollten zusammenarbeiten, um den Regenwald zu schützen und die Rechte der Gemeinden zu wahren, die auf ihn angewiesen sind.“