Bundeskanzler Friedrich Merz reist am 6. Dezember nach Israel und trifft dort unter anderem Premierminister Benjamin Netanjahu. Netanjahu wird vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Gazastreifen gesucht – darunter die gezielte Aushungerung der Zivilbevölkerung und Angriffe auf Zivilist*innen.
Merz setzt damit Deutschlands Glaubwürdigkeit in Fragen der Internationalen Gerechtigkeit aufs Spiel.
Die Bundesrepublik ist Mitglied des IStGH und hat erst in dieser Woche maßgeblich zur Überstellung des ersten Verdächtigen im Rahmen der laufenden Libyen-Ermittlungen nach Den Haag beigetragen. Der Gerichtshof ist darauf angewiesen, dass Staaten Haftbefehle vollstrecken, sobald sich Gesuchte auf ihrem Territorium befinden.
Die Kooperation Deutschlands im Libyen-Fall ist genau die Art von Unterstützung, die die internationale Strafjustiz jetzt dringend benötigt. Insbesondere weil der IStGH massiv unter Druck steht.
So hat Russland Haftbefehle gegen Gerichtsfunktionäre erlassen, und zusätzlich wurden IStGH-Ankläger*innen, Richter*innen sowie Menschenrechtsverteidiger*innen, die sich für Gerechtigkeit einsetzen, von den USA mit Strafmaßnahmen belegt. Letztere explizit wegen des Verfahrens gegen Netanjahu.
Merz wäre der erste deutsche Bundeskanzler, der öffentlich einen vom IStGH gesuchten Politiker trifft – ein Schritt, der Deutschlands klares Bekenntnis zum Gerichtshof massiv in Frage stellen würde.
Der IStGH ist für Tausende Opfer und ihre Familien die letzte Hoffnung auf Gerechtigkeit. Ohne rechtliche Aufarbeitung von Gräueltaten – einschließlich der Verbrechen von Hamas und anderen palästinensischen bewaffneten Gruppen am 7. Oktober und danach sowie der Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermordhandlungen durch israelische Behörden in Gaza – werden die Verletzungen und die Ungerechtigkeit weitergehen.
Auch jenseits von Fragen internationaler Gerechtigkeit zeigt die anhaltende Repression gegen Palästinenser trotz des fragilen Waffenstillstands in Gaza, warum Deutschland den Druck auf Israel aufrechterhalten sollte. In den vergangenen zwei Jahren haben israelische Streitkräfte Zehntausende Zivilist*innen getötet, ausgehungert und gewaltsam vertrieben, die zivile Infrastruktur Gazas zerstört und Krankenhäuser, Schutzunterkünfte, humanitäre Helfer*innen und Journalist*innen ins Visier genommen. Im Westjordanland haben Zwangsvertreibungen, exzessive Gewalt, Administrativhaft, Folter, die Ausweitung illegaler Siedlungen und staatlich unterstützte Siedlergewalt zugenommen – Teil der anhaltenden Verbrechen gegen die Menschlichkeit von Apartheid und Verfolgung durch israelische Behörden.
Human Rights Watch fordert, dass Netanjahu sanktioniert, untersucht und gegebenenfalls strafrechtlich verfolgt wird.
Es darf kein diplomatisches „Business as usual“ mit Netanjahu oder anderen Personen geben, die wegen Gräueltaten vom IStGH gesucht werden. Deutschland sollte stattdessen Israel auffordern, die Repression gegen Palästinenser*innen zu beenden sowie Waffenexporte stoppen, gezielte Sanktionen gegen israelische Verantwortliche für schwere Menschenrechtsverletzungen verhängen, Handelspräferenzabkommen aussetzen, den Handel mit illegalen Siedlungen verbieten und sich verpflichten, alle Haftbefehle des IStGH zu vollstrecken.